Geschichtsprojekt Blankenburger Waldfriedhof XIV

Oberst Gustav Petri
Oberst
(1888 – 1945)

Oberst Gustav Petri ist am Ende des 2. Weltkrieges seinem Gewissen gefolgt und hat den Befehl zu einem aussichtslos gewordenen Kampf um Wernigerode verweigert. Seinen mutigen Einsatz für die Stadt hat er mit seinem Leben bezahlt. 

Lesezeit: 5 Minuten

Gustav Petri wurde am 3. Juni 1888 in Gießen geboren und wuchs in einer Tabakhändler-Familie (Mutter: Johanna und Vater Carl Petri) mit zwei Schwestern und einem Bruder auf. Er besuchte von 1894 bis 1897 die Vorschule eines Gymnasiums und absolvierte 1904 die Mittlere Reife im Gymnasium. Nach seiner Ausbildung zum Kaufmann in Herford war er bis März 1908 Filialleiter seines Ausbildungsbetriebes in Hannover. Da sein Vater schwer erkrankte, übernahm er 1910 widerstrebend den elterlichen Betrieb als Tabakhändler.

Zeitlebens sah er seine berufliche Bestimmung aber in der Offizierslaufbahn, mit all dem damit verbundenen Leid und Schmerz während der beiden Weltkriege. Seine Militärkarriere startete er mit einem einjährigen Freiwilligendienst im Infanterie-Regiment ,,Kaiser Wilhelm“, wo er als Unteroffizier entlassen wurde. Im Ersten Weltkrieg diente er an verschiedenen Orten: unter anderem 1914 in Frankreich als Zugführer, wo er einen Mund- und Kieferdurchschuss erlitt; 1915 wurde er an der Ostfront am Arm stark verletzt, in Rumänien erhielt er zwei Kopfschüsse und 1918 wurde er an der Westfront im Kampf um Verdun eingesetzt. Für seine Dienste erhielt er viele Auszeichnungen, wie das „Eiserne Kreuz II. Klasse“, das „Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern“ und das „Verwundeten Abzeichen in Gold“.

Gustav Petri war durch das preußische Militär geprägt und sah die Niederlage im 1. Weltkrieg, wie viele Soldaten der damaligen Zeit, als demütigend an. Damit steht er auch beispielhaft für viele in der Nachkriegszeit der Weimarer Republik, die versuchten, in rechtsgerichteten Organisationen die Bestimmungen des Versailler Vertrages zu umgehen und in dieser Form nationalistische Einstellung auszudrücken.

Zwischen den Weltkriegen trat er den „Vereinigten Vaterländischen Verbänden“ Deutschlands (VVVD) bei und gründete 1925 in Gießen den „Stahlhelm-Bund“ der Front-Soldaten. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Gustav Petri 1934 als Obersturmbannführer in die SA übernommen. Allerdings wollte er nicht Teil der Nationalsozialistischen Bewegung sein. Er verließ die SA als der Stahlhelm-Bund kollektiv in die NSDAP- Mitgliedschaft überführt wurde. Ab 1936 diente Petri als Hauptmann in der Wehrmacht.

Der Zweite Weltkrieg begann für ihn beim Stab der Armee-Reserve der 1. Armee in der Nähe der französischen Grenze. Innerhalb von 6 Jahren Krieg war er in Frankreich bei der Besatzungsmacht eingesetzt, wo er zum Major ernannt wurde (und in Südwestfrankreich als Bataillonskommandeur). Petri wurde an die Ostfront versetzt, wo er bis kurz vor Moskau kam und eine schwere Verwundung an der linken Gesäßhälfte erlitt. Aufgrund seiner Verwundungen und seines Alters erfolgte die Versetzung in die Führerreserve. Die längste Zeit des Krieges verbrachte er ab Januar 1943 wieder in Frankreich, wo er auch zum Oberst ernannt wurde. Petri wurde als Feldkommandant über das Departement Oise in Beauvais nördlich von Paris eingesetzt. Die Aufgabe ist in Friedenszeiten der eines Landrates vergleichbar.

Gustav Petri erreichte am Abend des 8. April 1945 als sogenannter Korück (Kommandant für den rückwärtigen Dienst) den Harz. In der Nacht vom 10. zum 11. April ernannte ihn sein Vorgesetzter Oberst Hans Linemann telefonisch zum Kampfkommandanten von Wernigerode. Damit hatte er die Aufgabe Wernigerode „zu verteidigen“.

Nach vielen Fronteinsätzen und einem Leben als Offizier, hatte er die Bedeutung des Befolgens von Befehlen und die Konsequenzen ihrer Nichtbefolgung verinnerlicht. Dennoch lehnte er diesen letzten Befehl, die Stadt Wernigerode in einem aussichtslosen Kampf zu verteidigen mit den Worten ab: ,,Soll dies Städtchen auch ein Trümmerhaufen werden?“. Dies wohl auch unter dem Eindruck der gerade am 8. April zerstörten Nachbarstadt Halberstadt und des selbst erlebten Elends in vielen zerstörten Orten. Auch die Sinnlosigkeit der hilflosen Versuche vor Augen, durch Jugendliche und Volkssturm Barrieren gegen amerikanische Panzer zu errichten. Auch der Bürgermeister von Wernigerode Ulrich von Fresenius hatte sich in einem Gespräch mit Petri dafür eingesetzt, die Stadt aus der Hauptkampflinie herauszuhalten.

Durch den mutigen Einsatz von Petri  wurde ein Gefecht um Wernigerode verhindert, die Alliierten konnten die Stadt „fast kampflos“ einnehmen.

Er selbst bezahlte seine Gewissensentscheidung zur Rettung von Wernigerode und vieler Menschen mit seinem eigenen Leben. Wegen Befehlsverweigerung wurde er am nächsten Tag, dem 12. April 1945, bei Drei Annen Hohne (Elbingerode) erschossen und dort an einer unbekannten Stelle vergraben. Seine Frau ließ auf einer kleinen Kriegsgräberstätte dort für ihn ein Gedenkkreuz anfertigen und aufstellen.

Im Jahr 1976 fand eine Umbettung von Kriegsgräbern, u.a. der von Drei-Annen-Hohne auf den Waldfriedhof statt. Ob dabei zweifelsfrei auch die sterblichen Überreste von Oberst Petri umgebettet wurden, ist umstritten. Die  Annahme, dass er jetzt in Blankenburg  begraben ist, stützt sich auf drei Sachverhalte. Eine Zeitzeugin meinte, sie habe den erschossenen Oberst Petri bei Drei-Annen-Hohne gesehen. In einem Schreiben des VEB Dienstleistungskombinat Blankenburg vom 30.3.1976 wurde festgehalten, dass „auch Kriegstote von der Straße von Elbingerode nach Drei-Annen-Hohne“ auf den Blankenburger Friedhof umgebettet wurden. Ein bei der Exhumierung gefundenes Gebiss (Oberst Petri trug eines seit seiner Verletzung im 1. Weltkrieg) wurde unsachgemäß entsorgt und nicht einem der Gebeine zugeordnet.

Die Stadt Blankenburg (Harz) stellte fest,  dass die Aussage der Zeitzeugin nicht ausreicht, um als „hundertprozentig sicher zu gelten“ und ,,Zahnprothesen wurden zur damaligen Zeit von vielen Menschen getragen“. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge hat dann „festgestellt“, dass die Gebeine von Oberst Gustav Petri „sehr wahrscheinlich“ unter den „unbekannten Soldaten“ auf dem Waldfriedhof beigesetzt wurden. Zweifelsfrei ist, dass es mit der Grabstätte einen Gedenkort für Oberst Petri gibt.

In der Bundesrepublik wurde der Witwe von Petri erst nach einem jahrelangen Prozess 1958 eine finanzielle Wiedergutmachung zugesprochen. Im Jahr 1963 legten Kriegsveteranen aus Gießen eine Gedenktafel mit dem Schriftzug ,,Du gabst Dein Leben zur Rettung von Wernigerode“ an der Grabstelle im Harz nieder.

Heutige Spuren

Grabstätte (Gedenkort) auf dem Gräberfeld für Gefallene des 2. Weltkrieges auf dem  Waldfriedhof

In Wernigerode erinnern eine Plakette am Marktbrunnen und die Bezeichnung einer Straße an den Retter der Stadt.

Das Projekt

Der Blankenburger Waldfriedhof ist mit seinen Grabstätten ein regionaler Spiegel deutscher Geschichte, die in ihrer Zeit von hier lebenden Menschen getragen und in vielen Fällen aktiv mitgestaltet wurde.

Die Epochen und Ereignisse ließen sich oft an mehreren Personen abbilden, Bei deren  Auswahl handelt es sich um eine notwendige Einschränkung. Die Inhalte sind von Schülerinnen und Schülern und geschichtlich interessierten Bürgerinnen und Bürgern zusammengetragen worden und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie folgen den Grundsätzen, geschichtliches Interesse zu wecken und die jeweiligen Lebenswege, Prozesse und Entwicklungen aus dem Blickwinkel der freiheitlich demokratischen Grundordnung darzustellen.

Das Projekt ist in Kooperation mit dem Land Sachsen-Anhalt, der Stadt Blankenburg und dem VHS-Bildungswerk entstanden. Regionale Bezüge und Hinweise auf weiterführende Quellen sollen motivieren, sich gemeinsame Geschichte zu erschließen.

Für weiterführende Hinweise und etwaige Korrekturen ist das Team Friedhofsprojekt offen. Für die Vermittlung steht das Stadtarchiv als Ansprechpartner zur Verfügung.

Quellen

Ursula Höntsch: Oberst Petri sagt „nein“. In: Die Stunde Null. Berlin 1966, S. 17.

Ernst PörnerZum Gedächtnis — Oberst Gustav Petri, 1962 (Manuskript im Stadtarchiv Wernigerode)

Peter Lehmann: geachtet – geleugnet – geehrt. Oberst Gustav Petri, Retter von Wernigerode. (= Harz-Forschungen. Band 29). Hrsg. v. Harz-Verein für Geschichte und Altertumskunde e.V. Lukas-Verlag, Berlin/ Wernigerode 2013.

Quellen der Bilder

Porträts, Quelle: Internet

Faksimili-Texte aus Sachbuch und Tageszeitung Volksstimme

Gedenkstein in Drei Annen Hohne, Plakette am Wernigeröder
Marktbrunnen, Quelle: Internet

Gedenkgrab auf dem Blankenburger Waldfriedhof, Foto: Burkhard Falkner

Internet

https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Petri

https://www.wernigerode.de/de/stadtarchiv/dokumentation-ueber-oberst-gustav-petri-20033596.html 

http://www.wernigerode-in-jahreszahlen.de/content.php?request=quelle&quelle_id=70

https://www.volksstimme.de/nachrichten/lokal/halberstadt/1094158_Vom-Leben-und-Sterben-des-Retters-von-Wernigerode.html

Impressum

Inhalt: Arbeitsgemeinschaft Geschichte des Gymnasiums „Am Thie“ Blankenburg (Harz)

Bearbeitung: Robin Johne, Pia Engelhard und Max Raber, Klasse 10b

Projektleitung: Benedict Volkert

Internetpräsentation: Jörn Zuber

Begleitung: Ulrich-Karl Engel (Team Friedhofsprojekt)

Für die Unterstützung bei der Erarbeitung der Seite danken wir besonders Herrn Peter Lehmann (Wernigerode) und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stadtarchivs.

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