Geschichtsprojekt Blankenburger Waldfriedhof IX

Katharina Kricheldorff
Landschaftsmalerin, Mäzenin
(1880 – 1976)

Katharina Kricheldorff ist eine beinahe vergessene Malerin. In zahlreichen Werken waren Blankenburg und die Umgebung ihr Motiv. Als Mäzenin legte sie mit der Übereignung ihrer Villa einen Grundstein für den Ausbau des Blankenburger Krankenhauses.

Lesezeit: 5 Minuten

Katharina Kricheldorff wurde am 9. Mai 1880 in Wolmirstedt geboren. Schon früh interessierte sich die Tochter des Pächters der dortigen Schlossdomäne für Kunst und Malerei. Mit 28 Jahren startete sie ihre Ausbildung in Sachen Kunst und besonders der Malerei. Zum Leidwesen ihrer Eltern ging sie an die Kunstschule Weimar und danach an die Kunstakademie Berlin. Dort wandelte Katharina Kricheldorff künstlerisch in den Fußstapfen von Martin Brandenburg (1870-1919). Er gilt als Vertreter des damals modernen Impressionismus und Symbolismus in der Malerei. Er schuf Gemälde mit fantastischen Motiven und märchenhaften Landschaften, es entstanden Werke wie „Waldinneres“ oder „Elfenreigen“.

Martin Brandenburg gehörte, wie z.B. auch Max Liebermann, zur Künstlergruppe der Berliner Sezession, einer führenden Kunstvereinigung jener Zeit. Sie begründete den sogenannten Berliner Impressionismus.

Als sich der Vater – im Rang eines Königlichen Amtsrates – 1917 mit 66 Jahren in Blankenburg zur Ruhe setzte, zog die Familie mit. Die Kricheldorffs zogen mit ihren zwei Töchtern in die von einem Garten umgebene Villa im Roh 4.      

Katharina, damals 37 Jahre alt und von allen meist „Käthe“ genannt, richtete sich in der elterlichen Villa ein eigenes Atelier ein. Wie ihr Neffe später berichtete, geschah auch dies gegen den Widerstand der Eltern. Konnten sie schon ihre Wahl der Malerei als Beruf nicht verhindern, setzte sie sich beim Atelier ebenfalls durch.

Die Frau wird von Zeitgenossen als von kleiner Statur, aber mit einem überaus energischen Wesen ausgestattet, beschrieben. Mit dieser Energie hatte sie ihre Karriere immer wieder vorangebracht.

In Blankenburg arbeiteten in den 1880er Jahren die bekannten Maler Professor Paul Flickel (Berlin), Eduard Weichberger (Weimar) sowie Johannes Wortmann (Düsseldorf) und begründeten so den Beinamen „Malerwinkel“ für die Stadt. Das Künstlertrio und deren Kollegen lösten damals zugleich einen Boom der Malerei in der Stadt aus, animierten zahlreiche Frauen und Männer aus besseren Häusern, sich in dieser Kunst zu bilden und zu betätigen. Neben Malern wie Carl Bähr oder Adolf Hinze gehörten in den Jahren 1880 bis etwa 1940  u. a. Käthe Bornemann Bublitz, Dörthe Ulmer-Stichel, Elfriede Schultz-von Müller, Charlotte Struve, Alfred Geiger, Otto Meyer-Wegner, Georg Schönermark und Marie Gerlach dazu, wie aus Presseberichten der 1930er Jahre hervorgeht.

Katharina Kricheldorff stand in der Reihe jener Künstlerinnen und Künstler, die Blankenburg einst den Beinamen eines Malerwinkels einbrachten. Zeitgleich zum Malerwinkel Blankenburg gab es damals zum Beispiel auch einen Malerwinkel in Ahrenshoop, zu dem es personelle Verbindungen gab.  

Gemalt wurden vor allem Landschaften, aber auch Porträtköpfe, Tierstudien und Repliken damals bekannter Bilder wie „Der junge König“  oder „Fischermädchen“. Es entstanden Bilder wie „Blankenburg im Schnee“, „Goldbach“, „Teufelsmauer“ oder „Schleinitzhaus“.  Käthe Kricheldorff  steht in dieser Tradition. Motive ihrer Werke waren Landschaften aus Calbe und Blankenburg sowie aus dem Harz. Bilder wie „Blankenburger Silberbornbuche“, „Bastwiese“, „Eichenberg“ oder auch „Wendefurther Ansichten“ stammen von ihr. Neben den Landschaftsbildern und etlichen Stillleben fertigte Käthe Kricheldorff  auch Studien zu Kindern und Bildnisse größeren Formats. Lediglich allegorische Darstellungen, an denen sie sich versuchte, gab sie bald wieder auf.

Wo sich diese Werke heute befinden, ist vielfach unbekannt. Im Internet ist Mitte des Jahres 2021 nur ein Bild unter ihrem Namen mit einem Blick vom Eichenberg zum Blankenburger Großen Schloss zu finden.

Das Blankenburger Kreisblatt lobte die Blankenburger Malerin 1930 mit den Worten: „Im Porträt zeigt Käthe Kricheldorff lebensvolle Wiedergabe in technisch reifer Ausführung und sie versteht besonders in der Pastelltechnik gute Wirkung herauszuholen.“  Zur 700-Jahrfeier Blankenburgs anno 1937 kennzeichnet die lokale Presse ihre Bilder als „überraschend“ in Stil und Farbwirkung.

Ihre Verbundenheit mit Blankenburg zeigte Käthe Kricheldorff nicht nur in ihren künstlerischen Schaffen. Im Alter von etwa 80 Jahren wurde sie für ihre Wahlheimatstadt zur Mäzenin mit einem sozialen Anspruch. Sie  übereignete das von den Eltern ererbte Grundstück Roh 4 für den Fall ihres Todes dem Blankenburger Kreiskrankenhaus zur Einrichtung eines gemeinnützigen Pflegeheims. Im Gegenzug sollten für die zu der Zeit wenigen Mieter in dem Haus durch die Stadt andere Wohnungen gefunden werden.

Für ihren bis ins hohe Alter ungebrochenen Kampfgeist spricht, dass sich Käthe Kricheldorff 1962 beim damals zuständigen Rat des Kreises Wernigerode beschwerte,  weil die Erfüllung ihres Vermächtnisses nicht recht vorankam. Erst danach standen die Räume im Roh 4 dem Krankenhaus für Pflegefälle voll zur Verfügung. Auch sie selbst wurde dann in ihrem Haus umsorgt und starb dort am 27. Juli 1976.

Heutige Spuren

Grabstätte der Familie auf dem Waldfriedhof

Am Haus Roh 4, der heutigen Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik wurde, auf Veranlassung von Dr. Wolf-Rainer Krause eine Gedenktafel angebracht und durch ein Portrait von Katharina Kricheldorff wird an die Geschichte des Hauses und an ihr fast in Vergessenheit geratenes Werk erinnert.

Das Projekt

Der Blankenburger Waldfriedhof ist mit seinen Grabstätten ein regionaler Spiegel deutscher Geschichte, die in ihrer Zeit von hier lebenden Menschen getragen und in vielen Fällen aktiv mitgestaltet wurde.

Die Epochen und Ereignisse ließen sich oft an mehreren Personen abbilden, Bei deren  Auswahl handelt es sich um eine notwendige Einschränkung. Die Inhalte sind von Schülerinnen und Schülern und geschichtlich interessierten Bürgerinnen und Bürgern zusammengetragen worden und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie folgen den Grundsätzen, geschichtliches Interesse zu wecken und die jeweiligen Lebenswege, Prozesse und Entwicklungen aus dem Blickwinkel der freiheitlich demokratischen Grundordnung darzustellen.

Das Projekt ist in Kooperation mit dem Land Sachsen-Anhalt, der Stadt Blankenburg und dem VHS-Bildungswerk entstanden. Regionale Bezüge und Hinweise auf weiterführende Quellen sollen motivieren, sich gemeinsame Geschichte zu erschließen.

Für weiterführende Hinweise und etwaige Korrekturen ist das Team Friedhofsprojekt offen. Für die Vermittlung steht das Stadtarchiv als Ansprechpartner zur Verfügung.

Quellen

Bernhard Kiekenap: Spuren des Löwen / Geschichte und Tradition in Braunschweig und Blankenburg, Appelhans Verlag BS, 2002.

Fritz Hoefer: Festausgabe 1937 zur 700-Jahr-Feier der Stadt Blankenburg, in Harzer Tageszeitung, Blankenburger Kreisblatt.

Villenstadt Blankenburg – Glanz und Geschichte, Andreas Pawel/ Clemens Bussert, Verlag Bussert & Stadeler, 2021.

Archiv Hans-Jürgen Bösche

Bilder

Nachfolgende Kopien und Faksimile sind eine Auswahl von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen, die den Autoren zur Verfügung standen.

Selbstporträt um 1912

(Burkhard Falkner: Repro aus Spuren des Löwen) 

Haus Roh 4 heute, Fotos (3): Burkhard Falkner

Impressum

Arbeitsgemeinschaft Geschichte des Gymnasiums „Am Thie“ Blankenburg (Harz) und Team „Friedhofsprojekt“

Bearbeitung: Burkhard Falkner (Team Friedhofsprojekt)

Projektleitung: Benedict Volkert

Internetpräsentation: Jörn Zuber

Für die Unterstützung bei der Erarbeitung dieser Seite danken wir besonders Herrn Chefarzt a.D. Dr. Wolf-Rainer Krause.

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