Geschichtsprojekt Blankenburger Waldfriedhof II

Alexander Bernewitz
Erster Bischof der ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig
(1863 – 1935)

Dr. Alexander Bernewitz war ein Mann der Kirche, der sich in die Geschichte des Baltikums, der Revolutionen in Russland und des Deutschen Reiches bis hin zum Nationalsozialismus gestellt sah und sie aktiv mitgestaltete.  

Lesezeit: 4 Minuten

Alexander Bernewitz wurde am 31. März 1863 in Neuenburg (heute Republik Lettland) geboren und wuchs als Mitglied der deutsch-baltischen Minderheit im russischen Gouvernement Kurland (heute Teil der Republik Lettland) auf. Deren Zusammenhalt war sehr wesentlich vom gemeinsamen lutherischen Glauben bestimmt. Als späterer Pfarrer gehörte er, wie auch schon sein Vater, zur bestimmenden Oberschicht, die eng mit dem russischen Zarenhaus verbunden war.

Mit seiner Ehefrau Jenny geb. Kröger hatte Bernewitz drei Kinder. Er rauchte gern Zigarren, war ein leidenschaftlicher Naturfreund und Jäger. Gern fuhr er in den Ural, um dort Bären zu jagen. Er widmete sich der Pflege lettischer Kultur, gehörte der „Lettisch-literärischen Gesellschaft“ an, die er auch einige Zeit leitete. Diese Gesellschaft widmete sich der Erforschung der lettischen Sprache, Folklore und Kultur. Bis heute gibt es im lettischen Gesangbuch drei Choräle, die Bernewitz ins Lettische übersetzt hat.

Erste Erfahrungen mit politisch motivierter Gewalt machte der Kirchenmann in der gegen den Zaren gerichteten russischen Revolution von 1905. Sie griff auf das Baltikum über und richtete sich dort auch gegen die zarentreue Kirche und deren Vertreter.

Während der deutschen Besatzung des Baltikums im Ersten Weltkrieg war Bernewitz wie andere Geistliche an der Vorbereitung der Gründung eines „Vereinigten Baltischen Herzogtums“ beteiligt. Dieses sollte im Ergebnis des Friedensvertrages von Brest-Litowsk zwischen den Mittelmächten einschließlich Deutschland und Sowjetrussland entstehen und unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt werden. Bernewitz gehörte einer Delegation an, die das 1918 dem deutschen Kaiser anbot, allerdings ohne Erfolg. In Lettland wurde eine unabhängige nationalistische lettische Republik gegründet, die sich gegen die deutsch-baltische Oberschicht richtete. Lutherische Geistliche, u. a. ein naher Verwandter von Bernewitz, wurden Opfer von Pogromen und Hinrichtungen. Bernewitz  flüchtete mit Familie ins Deutsche Reich, gelangte schließlich nach Braunschweig.

Durch Vorträge im ganzen Reich über das Martyrium der Kirche in Lettland hatte sich sein Bekanntheitsgrad bald erhöht, so dass er sich um das erstmals eingerichtete Amt als Bischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Braunschweig bewerben konnte und 1923 zum Landesbischof gewählt wurde.

Die in der Weimarer Verfassung zuvor beschlossene Trennung von Kirche und Staat umzusetzen, wurde seine kirchlich wie staatspolitisch anspruchsvolle Aufgabe. Er löste sie in engem Kontakt, aber auch immer wieder im Konflikt mit dem damaligen Braunschweigischen Landesminister Otto Grotewohl (SPD), dem späteren Ministerpräsidenten der DDR.

Seinem Lebensweg mit politischen Gewalterlebnissen bis in die eigene Familie und dem Verlust der kurländischen Heimat war es geschuldet, dass Bernewitz im erstarkenden Nationalsozialismus zunächst vor allem ein Bollwerk gegen den Bolschewismus/ Kommunismus sah und eine Zusammenarbeit im Interesse der Kirche für möglich hielt. Die Wege trennten sich im Zuge der Gleichschaltung der Kirchen durch den NS-Staat. Bernewitz distanzierte sich von der Gewalt dieses Regimes. Es ist überliefert, dass er einem jüdischen Bürger beim Landkauf half, was für öffentliche Anfeindungen sorgte.

Im Juli 1933 verlor Bernewitz sein Bischofsamt an Wilhelm Beye, der von den sogenannten „Deutschen Christen“ unterstützt wurde, einer rassistischen, antisemitischen und am Führerprinzip orientierten Gruppierung in der evangelischen Kirche jener Zeit.

Daraufhin zog sich Alexander Bernewitz, 70-jährig, in den Ruhestand nach Blankenburg zurück, wohnte in der Bährstraße 3. Dort traf er öfter mit dem Pfarrer der Luthergemeinde Heinrich Lachmund zusammen, mit dem er seit langem freundschaftlich verbunden war. Lachmund  war von 1934 bis 1946 Pfarrer der Lutherkirche in Blankenburg (Georgenhof) und ein Aktivist  im „Pfarrernotbund“, später „Bekennende Kirche“, der sich als theologische Antwort auf die Einführung des Arierparagraphen in der „Deutschen Evangelischen Kirche“ gegründet hatte. Als er seines Amtes enthoben worden war, suchte und bekam er Rat im Hause Bernewitz. Später erhielt er seine Pfarrstelle zurück.

An Blankenburg lobte Bernewitz die landschaftliche Schönheit und den schönen Ausblick von seiner Wohnung auf die Teufelsmauer und das Große Schloss.  Er starb 1935 nach einer Kieferoperation im Krankenhaus in Halberstadt an Herzversagen.

Die Trauerfeier vereinte nochmals die Kirchenvertreter aller Lager und hunderte Gläubige in der Bartholomäus-Kirche und zum Begräbnis auf dem Blankenburger Waldfriedhof.

Heutige Spuren

Grabstätte auf dem Waldfriedhof

Das Projekt

Der Blankenburger Waldfriedhof ist mit seinen Grabstätten ein regionaler Spiegel deutscher Geschichte, die in ihrer Zeit von hier lebenden Menschen getragen und in vielen Fällen aktiv mitgestaltet wurde.

Die Epochen und Ereignisse ließen sich oft an mehreren Personen abbilden, Bei deren  Auswahl handelt es sich um eine notwendige Einschränkung. Die Inhalte sind von Schülerinnen und Schülern und geschichtlich interessierten Bürgerinnen und Bürgern zusammengetragen worden und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie folgen den Grundsätzen, geschichtliches Interesse zu wecken und die jeweiligen Lebenswege, Prozesse und Entwicklungen aus dem Blickwinkel der freiheitlich demokratischen Grundordnung darzustellen.

Das Projekt ist in Kooperation mit dem Land Sachsen-Anhalt, der Stadt Blankenburg und dem VHS-Bildungswerk entstanden. Regionale Bezüge und Hinweise auf weiterführende Quellen sollen motivieren, sich gemeinsame Geschichte zu erschließen.

Für weiterführende Hinweise und etwaige Korrekturen ist das Team Friedhofsprojekt offen. Für die Vermittlung steht das Stadtarchiv als Ansprechpartner zur Verfügung.

Quellen

Dietrich Kuessner: Studie Landesbischof Dr. Alexander Bernewitz 1863 – 1935,  Hg.: Freundeskreis der Braunschweiger Kirchen- und Sozialgeschichte 1985

Alexander Bernewitz: Rückblicke am Ende meines Lebens, Sonntag Reminiscere 1935, (Privatarchiv Axel Lundbeck bzw. Landeskirchliches Archiv Wolfenbüttel)

Dietrich Kuessner: Geschichte der Braunschweigischen Landeskirche 1930-1947 im Überblick, 1981 im Selbstverlag

DZIESMU GRAMATA, Gesangbuch der Ev.-luth. Kirche von Lettland 1992 Nr. 15 Vom Himmel hoch/ 58 Groß ist des Allmächtigen Güte/ 159 Es ist das Heil uns kommen her

Hinweise von Nachfahren

Bilder

Faksimiles Repros (3): B. Falkner

Porträtbild, Repro: B. Falkner, Quelle: ebenda S. 49f

Grabstätte auf dem Waldfriedhof, Foto: Uwe Lauer

Impressum

Arbeitsgemeinschaft Geschichte des Gymnasiums „Am Thie“ Blankenburg (Harz) und Team Friedhofsprojekt

Bearbeitung: Ulrich-Karl Engel, Burkhard Falkner (Team Friedhofsprojekt)

Projektleitung: Benedict Volkert

Internetpräsentation: Jörn Zuber

Für die Unterstützung bei der Erarbeitung dieser Seite danken wir Herrn Pfarrer a.D. Axel Lundbeck, Goslar.

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